I. Die Konsultation mit den Beteiligten zur Abwägung der strategischen Alternativen
Soweit sich beispielsweise aus den Erkenntnissen der Risikobewertung ergibt, dass Risikomanagementmaßnahmen erforderlich und zu veranlassen sind, 720
Diese Konsultation mit den Beteiligten wird mitunter vereinzelt als ein Teil der Risikokommunikation, also des dritten und letzten Einzelschrittes der Risikoanalyse, angesehen, 723 was aber schon in systematisch-konzeptioneller Hinsicht nicht überzeugen kann, da die Risikokommunikation sowohl ausweislich ihrer Legaldefinition aus Art. 3 Nr. 13 BasisVO 724 als auch der einschlägigen Art. 8a, 8b und 8c BasisVO eher allgemeine und grundsätzliche Fragen im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen von Lebens- oder Futtermitteln und der Verbraucherinteressen, nicht jedoch konkrete Aspekte – um den deutschen polizeirechtlichen Terminus zu bedienen – der Gefahrenabwehr in Bezug nimmt. Dementsprechend unterscheidet sich auch der Kreis der potentiell Mitwirkenden, welcher für den Einzelschritt der Risikokommunikation sehr viel weiter gefasst ist und sämtliche mit lebensmitteltechnischen oder -rechtlichen Themen befasste Interessensgruppen, auch der Verbraucherschaft, einbezieht, während sich die Konsultation mit den Beteiligten im Rahmen des Risikomanagements – so auch der unterschiedliche Passus der Legaldefinitionen aus Art. 3 Nrn. 12 und 13 BasisVO – auf die konkret Beteiligten beschränkt. 725
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Konsultation mit den Beteiligten keine sog. Einbahnstraße darstellt, sondern mit Blick auf Art. 19 und 20 BasisVO auch die Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer dazu verpflichtet sind, die zuständigen Behörden in entsprechender Weise zu unterrichten, also zu konsultieren, wenn sie Grund zu der Annahme haben, dass ein bereits eingeführtes, erzeugtes, verarbeitetes, hergestelltes oder vertriebenes Lebens- oder Futtermittel nicht den Anforderungen an die Lebensmittel- bzw. Futtermittelsicherheit entspricht, 735 um eine gemeinsame Herangehensweise und Zusammenarbeit zur Eindämmung oder zumindest zur Minimierung des Risikos im konkreten Einzelfall überhaupt erst zu ermöglichen, 736 was wiederum im Einklang mit der Konzeption des Lebensmittelrechts als Risikoverwaltungsrecht respektive der diesbezüglich kooperativen Aufgabenerledigung steht. 737
Vor diesem Hintergrund erscheint es unbeschadet der großen Überlappungen zwischen der Risikokommunikation und der Konsultation mit den Beteiligten, letztere tatsächlich als einen dem Erlass von entsprechenden Maßnahmen vorgelagerten (formalen) Verfahrensschritt zu klassifizieren, nicht jedoch als einen Teil der Risikokommunikation, obschon dieser freilich auch die allgemeine Risikokommunikation zu kanalisieren vermag, dabei aber einerseits vornehmlich eine dienende Funktion zur Ermittlung der materiellen Richtigkeit staatlichen Handelns in Form des Risikomanagements übernimmt – ähnlich dem Anhörungsrecht bzw. der Anhörungspflicht aus dem deutschen Verwaltungsrecht – und andererseits über eine bloße Erhebung weiterer Informationen hinausgeht, indem solche aus dem Blickwinkel der betroffenen Lebens- oder Futtermittelunternehmer nicht lediglich im Sinne rechtlichen Gehörs in das Risikomanagement eingebracht würden, sondern überdies in eine konkrete Zusammenarbeit bei der Bewältigung der entsprechenden Risiken mündet, 738 was insoweit auch der besonderen Verortung innerhalb der Legaldefinition des Risikomanagements in Art. 3 Nr. 12 BasisVO und dem Wort
720 | 720 Offen ist hierbei natürlich noch die Frage, ob und inwieweit auch die sog. anderen berücksichtigenswerten Faktoren zur Bestimmung der Akzeptabilität bzw. einer materiellen Eingriffsschwelle neben oder gar anstelle der Ergebnisse der Risikobewertung heranzuziehen sind, siehe hierzu die Schlussfolgerungen unter Teil 3.A.IV. |
721 | 721 Bauschke, Verbraucherschutz im öffentlichen Recht aus Sicht des Lebensmittelrechts, S. 76f. |
722 | 722 Rathke, in: Sosnitza/Meisterernst (ehem. Zipfel/Rathke), Art. 3 BasisVO, Rn. 80. |
723 | 723 So Meisterernst, in: Streinz/Meisterernst, BasisVO/LFGB, Art. 3 BasisVO, Rn. 53, der bzgl. der Konsultation mit den Beteiligten beispielhaft auf die Legaldefinition der Risikokommunikation aus Art. 3 Nr. 13 BasisVO verweist; zu der umgekehrten Annahme, dass die Risikokommunikation eine besondere Maßnahme innerhalb des Risikomanagements darstelle, siehe sogleich. |
724 | 724 Art. 3 Nr. 13 BasisVO im Wortlaut: „Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck ’Risikokommunikation‘ im Rahmen der Risikoanalyse den interaktiven Austausch von Informationen und Meinungen über Gefahren und Risiken, risikobezogene Faktoren und Risikowahrnehmung zwischen Risikobewertern, Risikomanagern, Verbrauchern, Lebensmittel- und Futtermittelunternehmen, Wissenschaftlern und anderen interessierten Kreisen einschließlich der Erläuterung von Ergebnissen der Risikobewertung und der Grundlage für Risikomanagemententscheidungen“. |
725 | 725 Vgl. auch Rathke, in: Sosnitza/Meisterernst (ehem. Zipfel/Rathke), Art. 3 BasisVO, Rn. 84; eine ähnliche diesbezügliche Stoßrichtung lässt sich insbesondere auch folgenden Publikationen entnehmen, wobei diese allerdings nicht ausdrücklich Bezug auf die Differenzierung zwischen der (allgemeinen) Risikokommunikation und der (besonderen) Konsultation der Beteiligten nehmen: Bauschke, Verbraucherschutz im öffentlichen Recht aus Sicht des Lebensmittelrechts, S. 76; Roth, Die allgemeine Lebensmittelüberwachung als Instrument des Verbraucherschutzes, S. 72; Thilo Ortgies, Rechtliches Risikomanagement im Lebensmittelrecht, S. 272ff.; ähnlich Seemann, Behördliche Produktinformation im europäischen und deutschen Lebensmittelrecht, S. 83. |
726 | 726 Seemann, Behördliche Produktinformation im europäischen und deutschen Lebensmittelrecht, S. 41. |
727 | 727 Vertretbar erscheint durchaus, die Risikokommunikation als einen Unterfall des Risikomanagements anzusehen, nicht jedoch der eingangs aufgeworfene umgekehrte Ansatz, welcher die Konsultation mit den Beteiligten im Rahmen des Risikomanagements als einen Teil der Risikokommunikation betrachtet, da letztere schon nicht auf eine Konsultation der lediglich konkret Beteiligten abzielt, sondern vielmehr einen weiten, allgemeinen Kreis sämtlicher Interessierter einbezieht. |
728 | 728 Vgl. zu diesem engen Zusammenhang Thilo Ortgies, Rechtliches Risikomanagement im Lebensmittelrecht, S. 275; ähnlich Müller, Die Bewältigung von Lebensmittelrisiken durch Risikokommunikation, S. 36. |
729 | 729 Vgl. Simon, Kooperative Risikoverwaltung im neuen Lebensmittelrecht, S. 123f.; Müller, Die Bewältigung von Lebensmittelrisiken durch Risikokommunikation, S. 37. |
730 | 730 Vgl. Roth, Die allgemeine Lebensmittelüberwachung als Instrument des Verbraucherschutzes, S. 72; siehe hierzu bereits die Ausführungen unter Teil 2.B.III. |
731 | 731 Müller, Die Bewältigung von Lebensmittelrisiken durch Risikokommunikation, S. 35; dies entspricht insoweit auch Erwägungsgrund 9 BasisVO. |
732 | 732 So der entsprechenden Passus aus der Legaldefinition des Risikomanagements in Art. 3 Nr. 12 BasisVO. |
733 | 733 So der entsprechende Passus aus der Legaldefinition der Risikokommunikation in Art. 3 Nr. 13 BasisVO, die konkret von einem „interaktiven Austausch von Informationen und Meinungen über Gefahren und Risiken“ spricht. |
734 | 734 Im bundesdeutschen Verwaltungsverfahrensgesetz findet sich die entsprechende Regelung zur Anhörung in § 28 VwVfG; vgl. im weiteren Sinne hierzu Burgi, DVBl. 2011, 1317, 1317ff., der dem Verwaltungsverfahren eine „dienende“ Funktion zuerkennt. |
735 | 735 Siehe hierzu und zu der diesbezüglich abgestuften Meldeverpflichtung die nachfolgenden Ausführungen unter Teil 3.B.II.2.a. |
736 | 736 Vgl. Meisterernst, Lebensmittelrecht, S. 39. |
737 | 737 Vgl. zur kooperativen Aufgabenerledigung im Rahmen des Risikoverwaltungsrechts Möstl, Die staatliche Garantie für die Öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 262; siehe hierzu auch bereits die Ausführungen unter Teil 1.C.III. |
738 | 738 Zur (verpflichtenden) Zusammenarbeit zwischen Lebensmittelunternehmer und Behörden siehe die nachfolgenden Ausführungen unter Teil 3.B.II.1.b. |