Seite 34 Teil 2 Der Risikobegriff und die Risikobewertung in der BasisVO
Zu den bedeutsamsten materiell-rechtlichen Vorgaben der BasisVO gehört, dass sämtliche Maßnahmen des Lebensmittelrechts auf Risikoanalysen gemäß Art. 6 Abs. 1 BasisVO beruhen sollen, 202 sich demnach sowohl die Legislative bei dem Erlass von entsprechenden Vorschriften als auch die Exekutive bei ihren Entscheidungen im Einzelfall hieran zu orientieren hat, 203 da diese – die Risikoanalyse – eine systematische Methodik zur Ermittlung effektiver, angemessener wie gezielter Maßnahmen oder sonstiger Aktionen des Gesundheitsschutzes darstellt. 204 Die BasisVO statuiert damit normativ den Grundsatz eines sog. wissenschaftszentrierten Ansatzes zur Erreichung des in Art. 5 Abs. 1 BasisVO manifestierten lebensmittelrechtlichen Primärziels eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit des Menschen, 205 indem gleichzeitig (oder zudem) Gefahren nicht mehr nur (schlicht) abgewehrt werden, sondern bereits im Vorfeld verringert, ausgeschaltet oder vermieden werden sollen 206 . Die Risikoanalyse setzt sich dementsprechend und in Anknüpfung an ihre Legaldefinition aus Art. 3 Nr. 10 BasisVO aus den drei miteinander verbundenen Einzelschritten der Risikobewertung, des Risikomanagements und der Risikokommunikation zusammen, die ihrerseits von Art. 3 Nrn. 11 bis 13 BasisVO definiert und näher umschrieben werden. 207
Entscheidend für eine genauere Konturierung dieses Steuerungsinstruments wie auch der damit in Zusammenhang stehenden Frage über Inhalt und Tragweite der auf Risikoanalysen beruhenden Verpflichtungen der Lebensmittelunternehmer und staatlicher Eingriffe – sei es aus Gründen der Vorsorge oder
So finden sich innerhalb der BasisVO Rückgriffe 210 auf den Risikobegriff bzw. die Risikoanalyse – neben der einschlägigen Vorschrift des Art. 6 BasisVO 211 – auch im Zusammenhang mit dem Vorsorgeprinzip 212 , mit den Vorschriften über die Information der Öffentlichkeit 213 , der Verantwortlichkeit von Lebensmittel- 214 und Futtermittelunternehmer 215 , der EFSA 216 sowie mit dem sog. Schnellwarnsystem 217 .
Außerhalb der BasisVO finden sich solche Bezüge ebenfalls an prominenten Stellen, wobei die Ausgestaltung und Reichweite des Begriffes des Risikos in der KontrollVO besondere Beachtung verdient. Art. 9 KontrollVO 218 schreibt hierbei nämlich vor, dass Lebensmittelunternehmer „regelmäßig risikobasiert und mit angemessener Häufigkeit“ amtlichen Kontrollen zu unterziehen sind, wobei einerseits der in Art. 3 Nr. 24 KontrollVO legal definierte Risikobegriff, auf den sich Art. 9 KontrollVO bezieht, hinsichtlich des zu schützenden Rechtsgutes über den Risikobegriff der BasisVO hinausgeht, indem er neben „einer die Gesundheit beeinträchtigenden Wirkung“ 219 auch eine „die Gesundheit von
202 | 202 Bauschke, Verbraucherschutz im öffentlichen Recht aus Sicht des Lebensmittelrechts, S. 76; Gelbert, Die Risikobewältigung im Lebensmittelrecht, S. 57 spricht in diesem Zusammenhang von einem „Grundstein, auf dem die Politik der Lebensmittelsicherheit aufgebaut werden muss“; Simon, Kooperative Risikoverwaltung im neuen Lebensmittelrecht, S. 106f.; siehe hierzu auch Erwägungsgrund 16 BasisVO. |
203 | 203 Delewski/Fuhrmann, |
204 | 204 So auch Erwägungsgrund 17 der BasisVO; Bauschke, Verbraucherschutz im öffentlichen Recht aus Sicht des Lebensmittelrechts, S. 76. |
205 | 205 Simon, BayVBl 2009, 161, 162; vgl. auch Erwägungsgrund 16 und 17 BasisVO; Schroeder/Kraus, EuZW 2005, 423, 424. |
206 | 206 Siehe auch Erwägungsgrund 17 BasisVO; Bauschke, Verbraucherschutz im öffentlichen Recht aus Sicht des Lebensmittelrechts, S. 76; Simon, BayVBl 2009, 161, 162; Thilo Ortgies, Rechtliches Risikomanagement im Lebensmittelrecht, S. 77; Alfred Meyer, |
207 | 207 Vgl. hierzu auch Thilo Ortgies, Rechtliches Risikomanagement im Lebensmittelrecht, S. 77, 266ff. |
208 | 208 So auch Simon, Kooperative Risikoverwaltung im neuen Lebensmittelrecht, S. 81. |
209 | 209 Vgl. hierzu insbesondere Untermann/Hartig, |
210 | 210 Vgl. hierzu einleitend bereits unter Teil 1.B. |
211 | 211 Sowie auch in den darauf bezugnehmenden Normen zur Risikokommunikation: Art. 8a, 8b und 8c BasisVO. |
212 | 212 So in Art. 7 BasisVO. |
213 | 213 So in Art. 10 BasisVO. |
214 | 214 So in Art. 19 Abs. 3 BasisVO. |
215 | 215 So in Art. 20 Abs. 3 BasisVO. |
216 | 216 In Kapitel III der BasisVO, Art. 22ff., insbesondere Art. 22 Abs. 8, Art. 23, Art. 25 Abs. 1b, Art. 27 Abs. 4 lit. d, Art. 28 Abs. 5g, Art. 32b Abs. 6, Art. 32c Abs. 1 und 2, Art. 32d, Art. 34 Abs. 2, Art. 35, Art. 38 Abs. 1 lit. b, Art. 39e, Art. 40 Abs. 1 und III BasisVO. |
217 | 217 In Kapitel IV der BasisVO, Art. 50ff., insbesondere Art. 50, Art. 52, Art. 53, Art. 56 und Art. 57 BasisVO. |
218 | 218 Art. 9 Abs. 1 KontrollVO im Wortlaut: „Die zuständigen Behörden unterziehen alle Unternehmer regelmäßig risikobasiert und mit angemessener Häufigkeit amtlichen Kontrollen (…)“. |
219 | 219 So aus der Legaldefinition des Art. 3 Nr. 9 BasisVO. |
220 | 220 So aus der Legaldefinition des Art. 3 Nr. 24 KontrollVO. |
221 | 221 Siehe hierzu bereits einleitend unter Teil 1.B. a.E. |
222 | 222 Art. 9 Abs. 2 KontrollVO im Wortlaut: „Die zuständigen Behörden führen regelmäßig in angemessenen zeitlichen Abständen, die risikobasiert festgelegt werden, amtliche Kontrollen durch, um etwaige, durch betrügerische oder irreführende Praktiken vorsätzlich begangene Verstöße gegen die Vorschriften gemäß Art. 1 Abs. 2 aufzudecken, und sie berücksichtigen dabei (…)“. |
223 | 223 Vgl. hierzu auch Ludwig/Ortgies, in: Sosnitza/Meisterernst (ehem. Zipfel/Rathke), Art. 9 KontrollVO, Rn. 5f. |