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EWS 2024, I
Göcke 

Das 14. EU-Sanktionspaket gegen Russland

Abbildung 1

Es werden zunehmend auch Sanktionsbestimmungen geschaffen, die extraterritoriale Wirkung haben

Am 24. 6. 2024 wurde das 14. Sanktionspaket (SP) der EU gegen Russland im Zusammenhang mit Russlands Aggression gegen die Ukraine bekanntgegeben. Es setzt sich zusammen aus der VO (EU) 2024/1745 zur Änderung der VO (EU) 833/2014, in der sektorale Beschränkungen gegen die russische Wirtschaft niedergelegt sind, der VO (EU) 2024/1739 zur Änderung der VO (EU) 269/2014, die weitreichende Sanktionen gegen die in ihrem Anhang I genannten natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen (POE) niederlegt, und der DVO (EU) 2024/1746, die den Anhang I der VO 269/2014 um zusätzliche POE ergänzt.

Die ersten EU-Sanktionen gegen Russland wurden bereits 2014 als Reaktion auf die Annexion der Krim und die Schürung von Unruhen in der Ostukraine verhängt. Zunächst waren die Sanktionen sehr begrenzt und betrafen nur wenige Bereiche der Wirtschaft. Dies änderte sich jedoch mit der Anerkennung der Staatlichkeit der sog. “Volksrepubliken” Donezk und Luhansk durch Russland am 21. 2. 2022 und dem Überfall Russlands auf die ganze Ukraine am 24. 2. 2022. Seither wurden die EU-Sanktionen gegen Russland in insgesamt 14 SP schrittweise ausgeweitet und verschärft.

Während der Fokus zunächst auf der Verhängung von zusätzlichen Beschränkungen für die Ein- und Ausfuhr von Gütern, die Erbringung von Dienstleistungen und Investitionen lag, rückte in späteren SP die Verhinderung der Umgehung bestehender Sanktionen in den Mittelpunkt. Zu diesem Zweck werden zunehmend auch Sanktionsbestimmungen geschaffen, die extraterritoriale Wirkung haben – entgegen der in der Vergangenheit von der EU stets vertretenen Auffassung, dass eine extraterritoriale Ausweitung des eigenen Sanktionsregimes völkerrechtswidrig sei. Zwar hat die EU auch Möglichkeiten geschaffen, unmittelbar auf drittländische POE und Regierungen einzuwirken. Diese werden aber bislang nur sehr zurückhaltend genutzt. Stattdessen konzentrieren sich die Bemühungen der EU, ihre Sanktionen möglichst weitreichend anzuwenden, zunehmend darauf, EU-Personen (i. S. d. Art. 13 lit. c–d VO 833/2014) zu verpflichten, die Einhaltung der EU-Sanktionen von ihren drittländischen Vertragspartnern und Tochtergesellschaften einzufordern.

Die Verpflichtung von EU-Unternehmen zur extraterritorialen Durchsetzung des EU-Sanktionsrechts wurde erstmals durch die mit dem 12. SP eingeführte Verpflichtung zur Vereinbarung einer “No Russia Clause” für den Verkauf/die Ausfuhr bestimmter Güter an Vertragspartner in Drittstaaten mit Ausnahme der Anhang VIII-Partnerländer niedergelegt (Art. 12g VO 833/2014). Diese Pflicht wurde im Zuge des 14. SP durch den neu eingefügten Art. 12ga derart erweitert, dass EU-Unternehmen nunmehr auch beim Verkauf, der Lizenzierung oder der anderweitigen Übertragung von Rechten des geistigen Eigentums oder Geschäftsgeheimnissen im Zusammenhang mit den in Anhang XL gelisteten “Common High Priority Items” (= bestimmte Güter, die wiederholt in russischen Waffen auf den Schlachtfeldern der Ukraine gefunden wurden) ab dem 26. 12. 2024 ihren drittländischen Vertragspartnern vertraglich die Nutzung für den Verkauf/die Ausfuhr dieser Güter nach oder zur Verwendung in Russland untersagen und die Weitergabe der Verpflichtung an die Unterlizenznehmer vorschreiben müssen.

Der im Zuge des 14. SP ebenfalls neu eingefügte Art. 12gb enthält zusätzliche Verpflichtungen in Bezug auf Anhang XL-Güter. Danach haben EU-Wirtschaftsbeteiligte, die derartige Güter nicht ausschließlich innerhalb der EU oder an Anhang VIII-Partnerländer verkaufen/ausführen, ab dem 26. 12. 2024 geeignete Schritte zur Ermittlung und Bewertung der Risiken der Ausfuhr nach Russland zu unternehmen und geeignete Strategien, Kontrollen und Verfahren umzusetzen, die im Verhältnis zur Art und Größe dieser Risiken stehen. Abs. 3 der Vorschrift fordert von den Wirtschaftsbeteiligten zudem “sicherzustellen”, dass drittländische Tochterunternehmen ebenfalls diese Verpflichtungen erfüllen. Es besteht damit grundsätzlich eine Erfolgspflicht. Eine Ausnahme soll nach Abs. 4 nur gelten, wenn die EU-Muttergesellschaft aus unvermeidbaren Gründen nicht in der Lage ist, die Kontrolle über ihre drittländische Tochtergesellschaft auszuüben. Mithin werden zumindest in Bezug auf Anhang XL-Güter die EU-Sanktionen mittelbar auf drittländische Tochtergesellschaften von EU-Personen erstreckt.

Daneben wurde im Rahmen des 14. SP ein neuer Art. 8a in die VO 833/2014 eingefügt, der EU-Personen die Pflicht auferlegt, sich “nach besten Kräften” zu bemühen sicherzustellen, dass ihre drittländischen Tochtergesellschaften sich nicht an Handlungen beteiligen, die die restriktiven Maßnahmen gemäß der VO 833/2014 “untergraben”. Im Vergleich zur ursprünglichen Formulierung des Art. 8a, die letztlich keinen Eingang in die finale Fassung des 14. SP gefunden hat und die eine Haftungsvermutung von EU-Personen für sanktionsrechtswidrige Handlungen ihrer drittländischen Tochtergesellschaften vorsah, wurden die extraterritorialen Auswirkungen zwar erheblich abgeschwächt. Es wird nunmehr lediglich eine Bemühenspflicht niedergelegt. Wie auch in Bezug auf Art. 12gb bleiben aber Inhalt und Umfang der Verpflichtungen und Rechtsfolgen im Falle eines Verstoßes unklar. Weitere Erkenntnisse dürften die bereits angekündigten, aber noch nicht veröffentlichten FAQ der Europäischen Kommission hierzu liefern.

Die zunehmenden Bestrebungen der EU, ihr Sanktionsrecht auch auf extraterritoriale Sachverhalte zu erstrecken, sind mit Blick auf das Ziel, die praktische Wirksamkeit von EU-Sanktionsverordnungen zu gewährleisten, zwar nachvollziehbar. Der Ansatz der EU, die extraterritoriale Durchsetzung des EU-Sanktionsrechts in erster Linie den Wirtschaftsbeteiligten aufzuerlegen, ist jedoch abzulehnen, da dies nicht nur mit Unsicherheiten, sondern auch mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand verbunden ist, der viele Wirtschaftsbeteiligte überfordert.

Dr. Katja Göcke, LL.M. (Sydney), Rechtsanwältin, Hamburg

 
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