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RdZ 2022, 73
Seeliger 

Moderne Zahlungssysteme unter wettbewerbsrechtlichem Vorbehalt?

Jede gesetzliche Regulierung muss zur Gefahrenabwehr unbedingt erforderlich sein und zugleich kreativen neuartigen Entwicklungen im Wettbewerb nicht im Wege stehen.

Im Wettbewerbsrecht gilt das Selbständigkeitspostulat. Grundsätzlich soll jedes Unternehmen für sich allein Chancen und Risiken abwägen und danach autonom sein Verhalten im Wettbewerb ausrichten. Gerade für kleine und mittlere Start-ups in der Krypto-Szene kann der Schlüssel zum Erfolg aber in der Zusammenarbeit liegen. Kooperationen sind deshalb häufig positiv zu bewerten, weil sie Innovationen oder Abläufe erleichtern. Im Zahlungsverkehr ist evident, dass für eine reibungslose Abwicklung von Zahlungsströmen umfassende Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Banken erforderlich ist. Zwangsläufig bedarf es auch des Austausches und Festschreibens bestimmter Informationen in der Blockchain. Beispiele, in denen branchenweite Kooperationen gebilligt wurden, sind Plattformen für den digitalen Geschäftsverkehr, Standards für umweltfreundliche bzw. nachhaltige Produkte sowie zuletzt verbesserte Angebote und die Überwindung von Engpässen im Zusammenhang mit Covid-19 und dem Ukraine-Krieg.

In diesen Fällen sollten die Kooperationen auch in Form von branchenweiten Regelungen zulässig sein, wenn sie Vorteile für Anwender und Verbraucher bringen. Ebenso wichtig ist aber: Der Spielraum für Innovationen in einem wettbewerblichen Prozess darf nicht unnötig und über Gebühr eingeschränkt werden. Das Tor für kreative neuartige Lösungen muss bei Kooperationen stets offenbleiben. In jedem Einzelfall ist deshalb eine sorgfältige Abwägung aller Umstände erforderlich. Die Wettbewerbsbehörden haben inzwischen gewisse Grundsätze entwickelt, die bei solchen Branchenlösungen zu beachten sind. Vor allem müssen die Unternehmen frei bleiben, ob und wie lange sie sich beteiligen. Unzulässig ist jeder Druck, der Unternehmen zum Beitritt veranlassen oder ihr Ausscheiden erschweren soll. Besondere Zurückhaltung gilt auch gegenüber allen preisbezogenen Vereinbarungen. Preise sind der wichtigste Wettbewerbsparameter. Die Entscheidung hierüber darf den Unternehmen nicht abgenommen werden – es sei denn, dass dies für das Funktionieren der branchenweiten Regelung unbedingt erforderlich ist. Von diesen Grundsätzen hat sich das Bundeskartellamt bei der Beurteilung der von der Deutschen Kreditwirtschaft beabsichtigten Weiterentwicklung ihres Bezahlsystems leiten lassen. Im März hat es den geplanten Ausbau des giropay-Systems hinsichtlich einer geplanten Exklusivitätsbindung nicht akzeptiert. Denn das hätte bewirkt, dass sich die teilnehmenden Unternehmen nicht mehr an anderen, möglicherweise effizienteren Lösungen hätten beteiligen können.

Ein Augenmerk muss zudem beim Austausch von Informationen zwischen den Unternehmen stets auf dem Wettbewerbsrecht liegen. Gerade für Newcomer ist das nicht immer einfach: Wer ist überhaupt (potenzieller) Wettbewerber bei Kryptowährungen? Wie sind die relevanten Märkte zu definieren – ist das Schürfen ein eigener Markt? Wonach werden beim Schürfen Umsätze und Marktanteile bemessen? Bei so dynamischen und schnelllebigen Märkten kann schnell eine Schwelle von gemeinsamen Marktanteilen über 15 % erreicht werden. Dann ist eine Freistellung aber schon nicht mehr ohne Weiteres gegeben.

Wettbewerb und Regulierung stehen zudem insgesamt in einem Spannungsverhältnis. Dies gilt nicht nur für branchenweite Kooperationen, sondern geht weit darüber hinaus. Der Zahlungsverkehr ist inzwischen durch eine große Vielfalt von Regulierungen gekennzeichnet, sei es durch den Gesetzgeber, sei es durch Behörden oder die Zentralbanken. In keinem Fall besteht ein unmittelbarer Bezug zum Wettbewerbsrecht. Und doch ist ein Spannungsverhältnis zwischen Regulierung und Wettbewerb auch hier unverkennbar. Jede normative Regulierung schränkt zwangsläufig, mehr oder weniger, den Spielraum für Innovationen der Unternehmen ein und begrenzt dadurch die “Arena”, die den Rahmen für Wettbewerb setzt. Dies tritt v. a. bei den modernen Zahlungssystemen und hier insbesondere den Kryptowährungen zutage. Wenn die EU derzeit einen einheitlichen Rahmen für Kryptowährungen schaffen will, hat dies zweifellos viele positive Aspekte. Der Spielraum für innovative Lösungen, die Anlegern und Verbrauchern neuartige Vorteile bieten können, darf aber auch hierdurch nicht ohne Grund reduziert werden. Auch jede gesetzliche Regulierung muss sich daran messen lassen, ob sie zur Gefahrenabwehr unbedingt erforderlich ist. Zugleich darf sie kreativen neuartigen Entwicklungen im Wettbewerb nicht im Wege stehen.

Abbildung 1

Prof. Dr. Daniela Seeliger, LL.M. (King's College), ist Partnerin bei Linklaters LLP in Düsseldorf und Honorarprofessorin an der Juristischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

 
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