Au Nom de l'Amitié!
“Au nom de l'amitié!” – Mit diesen Worten auf einem großen Transparent begrüßten Aktivisten der Bürgerbewegung Pulse of Europe den französischen Präsidenten Emmanuel Macron bei dessen Antrittsbesuch in Berlin.
Im Namen der Freundschaft!
Fast hätte einen das antieuropäische und antideutsche Wahlkampfgetöse von Le Pen und Mélenchon vergessen lassen, dass Charles de Gaulle und Konrad Adenauer 1963 mit der Unterzeichnung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages etwas Wunderbares begründeten. Man kann sich unschwer ausmalen, was es bedeutet hätte, wenn Le Pen Präsidentin geworden wäre. Wahrscheinlich hätte die ohnehin schwer kriselnde EU die Anti-Europa-Agenda der Front National-Chefin nicht überlebt.
Nach der fatalen Brexit-Entscheidung Großbritanniens und der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der Vereinigten Staaten war auch ein Wahlsieg Le Pens nicht ausgeschlossen. Geerd Wilders hätte mangels Koalitionspartner zwar nicht in Regierungsverantwortung kommen können. Wäre jedoch seine PVV als stärkste Fraktion aus den niederländischen Parlamentswahlen hervorgegangen, wäre das ein schlechtes Zeichen für Europa gewesen, das auch Auswirkungen auf die Präsidentschaftswahlen in Frankreich hätte haben können. Gleiches hätte für eine Wahl von Norbert Hofer zum österreichischen Bundespräsidenten gegolten.
Der zunehmende Rechtspopulismus und die mit Händen zu greifende Erosion des europäischen Zusammenhalts waren Anlass für die Gründung der Bürgerbewegung Pulse of Europe Ende 2016. Diese traf offensichtlich einen Nerv: Schon kurz nach Gründung versammelten sich zehntausende Menschen auf den Straßen und Plätzen in Deutschland und 18 weiteren europäischen Ländern. Die pro-europäischen Demonstranten besannen sich auf die Bedeutung der Freundschaft zwischen den Nationen, Städtepartnerschaften wurden reanimiert, die Alten erinnerten daran, dass Deutschland gerade wegen der Vergebung aus und der Versöhnung mit Frankreich und den Niederlanden nach dem 2. Weltkrieg wieder in den Kreis der respektablen Nationen zurückkehren konnte. Und von überall wurden offenherzige Zeichen der Sympathie und Freundschaft in die Niederlande und nach Frankreich gesendet.
Mit Macrons Wahl verbindet sich die Hoffnung, ein neues Kapitel deutsch-französischer Freundschaft aufschlagen zu können. Mehr noch: Jetzt bietet sich die ultimative Chance, Europas Zukunft gemeinsam und zum Wohle aller zu gestalten. Die Debatten, die die Franzosen im Rahmen des Präsidentschaftswahlkampfs über die EU führten, fanden ihr Echo auch in Deutschland, wo man begonnen hat, die deutsche Rolle in der EU zu überdenken. Nicht nur auf pro-europäischen Demonstrationen, sondern auch in der Politik. Schon vor der Wahl wiesen Vertreter verschiedener Parteien darauf hin, dass man Frankreich mit seinen Vorstellungen von Europa entgegenkommen müsse. Es wurden gar die Kosten eines möglichen “Frexit” den Risiken einer lockereren und großzügigeren Geldpolitik gegenübergestellt. Hier ist etwas in Bewegung gekommen, was sich nach Macrons Wahlsieg fortgesetzt hat. So gibt es klare Bekundungen der deutschen Politik, die Zukunft der EU ohne Tabus aktiv gestalten zu wollen. Nicht einmal Änderungen der Verträge werden ausgeschlossen – das hat man schon lange nicht mehr gehört!
Man kann Macron nur wünschen, dass er es schafft, wie angekündigt einen guten Dialog mit allen Französinnen und Franzosen zu führen – auch mit denen, die skeptisch sind und sich abgehängt fühlen. Dieser politische Ansatz ist nicht nur für Frankreich richtig, sondern muss überall gelebt werden. Es gilt, Gesellschaften, die sich mehr oder weniger gespalten haben, wieder zusammenzuführen. Die größte Herausforderung dürfte darin liegen, “Echokammern” kommunikativ zu überwinden. Hierfür braucht es neue Gesprächs- und vielleicht auch Beteiligungsformen. Wir müssen über “Demokratie 2.0” nachdenken, bevor sich die Demokratie ungewollt abschafft.
Zugleich ist es wichtig, dass wir Europäer uns wieder mehr füreinander interessieren. Wir sind zwar durch Institutionen und Verträge der EU auf das Engste miteinander verbunden. Eine wirkliche europäische Öffentlichkeit gibt es jedoch nicht; Debatten werden meist nur national geführt. Stimmen und Stimmungen aus anderen Mitgliedstaaten kommen nur indirekt und gefiltert an. Es ist bislang das Privileg einer mobilen Minderheit, sich ein eigenes Bild zu machen. Dieser Zustand ist eine permanente Bedrohung für die Einheit Europas. Sie macht die Europäer anfällig für Populisten, denen es gelingt, Vorurteile zu schüren und die Nationen gegeneinander aufzuwiegeln. Das Entstehen einer europäischen Öffentlichkeit, einer Zivilgesellschaft, deren Fundament das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit und ein besseres Verständnis für die Verhältnisse des anderen ist, ist dringend nötig und steht im Mittelpunkt der Bemühungen von Pulse of Europe.
Macron und seine europäischen Partner haben jetzt eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Europa kann nur mit einem starken Frankreich und einem europäischen Deutschland in eine stabile Zukunft gehen. Frankreich und Deutschland können die Segel auf Zukunft setzen und den europäischen Pulsschlag wieder laut schlagen lassen. Dabei ist es unerlässlich, die anderen Mitgliedstaaten mitzunehmen. Es geht nur gemeinsam. Das wusste schon Toto Cotugno, als er mit seinem pro-europäischen Titel Insieme (“Gemeinsam”) 1990 aus gutem Grund den Eurovision Song Contest gewann. Das Lied ist zu so etwas wie der Hymne von Pulse of Europe geworden.
Dr. Daniel Röder, Rechtsanwalt, Frankfurt a. M.