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Voser 

Die Schweiz plant eine Auffrischung ihres internationalen Schiedsgerichtsgesetzes

Abbildung 1

Schiedsgerichtsbarkeit bietet für international tätige Unternehmen oftmals die einzige Möglichkeit einer fairen und effizienten Streitschlichtung. In der Tat ist die Alternative – die Anrufung der zuständigen staatlichen Gerichte – aus verschiedenen Gründen nicht immer eine Option, insbesondere, wenn staatliche Gerichte rechtsstaatlichen Ansprüchen nicht genügen.

Der Mehrwert der Schiedsgerichtsbarkeit liegt aber nicht nur negativ in der Alternative zu den “untauglichen” staatlichen Gerichten, sondern positiv darin, dass Schiedsgerichtsverfahren aufgrund des Vorranges der prozessualen Parteiautonomie und der damit verbundenen hohen Flexibilität gerade bei komplexen Sachverhalten dem “Korsett” der staatlichen Prozessordnungen überlegen sind. Sofern sich die Mitgliedstaaten des New Yorker Übereinkommens über die Anerkennung von Schiedsurteilen von 1958 an die dortigen Regeln halten, ist zudem als weiterer wichtiger Vorteil die Anerkennung eines Schiedsspruches sichergestellt.

Ein optimaler rechtlicher Rahmen für die Schiedsgerichtsbarkeit ist daher nicht nur ein “nice to have”, sondern ein “must”.

Die Schweiz hat schon sehr früh und aufbauend auf der Tradition der Neutralität einen wichtigen Beitrag als “sicherer Hafen” für gute und funktionierende internationale Schiedsgerichtsbarkeit geleistet. In der Tat haben gemäß der Queen Mary und White & Case-Umfrage aus dem Jahr 2018 immerhin 38 % der Befragten angegeben, dass sie eine Präferenz für einen Sitz des Schiedsgerichts in der Schweiz hätten. Auch deutsche Unternehmungen sind rege Nutzer des Schweizer Schiedsplatzes, vor allem in Kombination mit der Wahl des Schweizer Rechts, welches sich durch eine ausgeprägte Parteiautonomie und Unternehmensfreundlichkeit auszeichnet.

Es ist daher auch in Deutschland wichtig zu wissen, was in der Schweizer Schiedslandschaft geschieht. Grundsätzlich nicht viel Neues, was in Anbetracht der Beliebtheit des Schweizer Gesetzgebungsrahmens für die Schiedsgerichtsbarkeit eine gute Nachricht ist.

Im Gegensatz zu anderen Rechtsordnungen, wie z. B. auch Deutschland, hat die Schweiz – vor allem aus historischen Gründen – ein dualistisches System, durch das die interne Schiedsgerichtsbarkeit, d. h. für Streitigkeiten nur zwischen Schweizer Parteien, getrennt von der Regelung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit geregelt wird. Während Ersteres im 3. Teil der Schweizerischen Zivilprozessordnung von 2008 (in Kraft seit 2011) festgelegt ist, befinden sich die Bestimmungen zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit im 12. Kapitel des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht von 1987 (in Kraft seit 1989).

Den Vätern des 12. Kapitels gelang im Jahr 1987 unbestrittenermaßen ein großer Wurf. Trotzdem ist das Gesetz zweifellos in die Jahre geraten und bedarf einer Auffrischung, damit die Schweiz weiterhin eine führende Stellung im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit im Dienste international tätiger Unternehmen beibehalten kann. Der Prozess dafür ist schon vor ein paar Jahren angelaufen: Der Vorentwurf des revidierten 12. Kapitels wurde im Januar 2017 publiziert und in eine öffentliche Vernehmlassung geschickt. Viele Privatpersonen, Anwaltskanzleien und Organisationen haben sich dazu geäußert. Die Ergebnisse wurden verarbeitet, und der bundesrätliche Entwurf im Oktober 2018 vorgelegt. Dieser bildet die Grundlage der Diskussion im Parlament, welche im Verlaufe dieses Jahres stattfinden wird. Der vorliegende Entwurf des 12. Kapitels enthält folgende Kernausrichtung:

(1) Zur Steigerung der Benutzerfreundlichkeit wird das 12. Kapitel verselbstständigt, indem Verweise auf andere Gesetze integriert werden.

(2) Es wird gefestigte Bundesgerichtspraxis aufgenommen, wie insbesondere die Revision, Berichtigung, Erläuterung und Ergänzung des Schiedsurteils.

(3) Es werden in der Literatur umstrittene und vom Bundesgericht offengelassene Fragen geklärt, wie z. B. welches der relevante Zeitpunkt für die Bestimmung der Internationalität des Verfahrens hinsichtlich des Sitzes der Parteien der Schiedsvereinbarung ist.

(4) Inhaltlich eingegriffen wird nur sehr zurückhaltend und punktuell: Vorgesehen ist insbesondere eine einseitige Schiedsklausel (vor allem für Testamente, aber auch Statuten) oder die Unterstützung schweizerischer staatlicher Gerichte bei ausländischen Schiedsverfahren und die Möglichkeit, bei Anfechtung des Schiedsspruches, die Beschwerdeschrift an das Bundesgericht in englischer Sprache einzureichen. Letzteres ist allerdings umstritten, und es ist nicht klar, ob dies die parlamentarische Beratung überleben wird.

Obwohl gewisse Vernehmlassungsteilnehmer die Vereinheitlichung der Schiedsgerichtsbarkeit in einem Gesetz bevorzugt hätten, behält der Vorschlag das duale System bei. Dies ist zu begrüßen: Internationale Schiedsparteien sind in der Regel schiedserfahren und kennen sowohl das System als auch ihre eigenen Bedürfnisse. Daher sollte man ihnen ein Maximum an Flexibilität gewähren. Die monistischen Systeme leiden darunter, dass das Bedürfnis nach höherer, von nationalen Zivilprozessordnungen beeinflusster Regelungsdichte für die interne Schiedsgerichtsbarkeit dem Bedürfnis nach mehr Flexibilität und Parteiautonomie in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit entgegensteht und ein Kompromiss gefunden werden muss.

Mit der Beibehaltung des dualistischen Systems und den moderaten, aber hilfreichen Anpassungen wird die Schweiz als Schiedsort gut gerüstet den nächsten 30 Jahre entgegensehen können.

Professor Dr. Nathalie Voser, Zürich

 
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